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Putins gefährlicher Schachzug
Russisches Gas gibt es bald nur noch gegen Rubel. Was bringt Putin das? Und welche Konsequenzen hat das für uns?
Während in Deutschland über ein Gasembargo diskutiert wird, schafft Putin neue Tatsachen. Per Schalte aus der Regierungssitzung ließ er verkünden, dass Gas ab sofort nur noch gegen Rubel an den Westen verkauft werde. Bisher haben wir Gasimporte in Euro bezahlt. Auf Euro hat Putin aber keine Lust mehr. In der Schalte sagte er:
“Es ist offensichtlich, dass es für uns keinen Sinn mehr macht, Gas an die EU oder die USA zu liefern und dafür mit US-Dollar oder Euros bezahlt zu werden.”
Die westlichen Währungen seien durch die Sanktionen wertlos für Russland geworden. Gas soll aber weiterhin geliefert werden. Putin dazu:
“Gleichzeitig will ich betonen, dass Russland seine Gaslieferungen zu den vertraglich vereinbarten Mengen, Preisen und Preismechanismen definitiv fortführen wird.” (Übersetzung d. Verfasser)
Um die Auswirkungen einordnen zu können, müssen wir kurz einen Schritt zurück. Bisher war es so, dass deutsche Gasimporteure Gazprom für Gaslieferungen in Euro bezahlt haben. Dabei wurden aber nicht einfach Euros nach Russland überwiesen, so funktioniert unser Geldsystem nicht.
Alle Euros, die existieren, existieren als Kontoguthaben im Eurosystem - und können dieses auch nicht verlassen. Bei einer Überweisung wechseln die Guthaben höchstens den Eigentümer, bleiben aber Guthaben im Eurosystem. Euros fließen also nie nach Russland, wie man es sich vielleicht bildlich sonst vorstellen würde.
Die Bank des Gasimporteurs schickt also keine Euros nach Russland, sondern überweist Guthaben, das sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hält, an die europäische Korrespondenzbank von Gazprom. Die wiederum führt auch ein Konto bei der EZB. Das EZB-Guthaben gehört dann nicht mehr der Bank des Gasimporteurs, sondern geht auf die Bank von Gazprom über. Warum der Unterschied wichtig ist, wird gleich klar.
Konter, der erste
Zwar wurden schon viele Finanzsanktionen gegen Russland verhangen, etwa wurden russische Banken aus dem Zahlungsnachrichtensystem SWIFT ausgeschlossen, allerdings noch keine gegen russische Energielieferanten - oder deren Banken. Die Gazprombank zum Beispiel ist vom SWIFT-Ausschluss explizit ausgenommen. Warum? Nun, damit wir weiter Gas aus Russland bekommen!
Die bisher heftigste Sanktion war allerdings das Einfrieren der Währungsreserven der russischen Zentralbank. Ein Großteil ist in Euro denominiert. Auch das sind aber keine Euros, die in Russland liegen, sondern Guthaben, die die russische Zentralbank bei der EZB hält. Wie das genau funktioniert, habe ich in diesem Artikel schon beschrieben.
Als Konter auf diese Sanktion hat die russische Zentralbank dann den Leitzins um 10,5 Prozentpunkte auf 20 Prozent angehoben und die heimischen Exporteure verpflichtet, 80 Prozent ihrer Deviseneinnahmen gegen Rubel zu verkaufen, um Nachfrage nach Rubel zu erzeugen. Obendrauf hat Putin Kapitalkontrollen verhangen, um das Rubelangebot zu verknappen. Das Ziel: Den Rubelkurs stützen.
Da Russland als Energiequelle des Westens hohe Exportüberschüsse in Euro erzielt, ist der Rubel zwar anfänglich deutlich abgesackt, hat sich aber dann in Anbetracht der Umstände deutlich gefangen. Man kann mittlerweile sagen: Der Konter der russischen Zentralbank hat ganz gut gewirkt.
Konter, der zweite
Jetzt hat Putin zum zweiten Konter ausgeholt. Per Verordnung soll Gas nur noch gegen Rubel verkauft werden. Tatsächlich hatte ich damals in diesem Artikel schon einmal darüber geschrieben und über die Vorteile spekuliert.
Die Maßnahme ist folgenreich. Die westlichen Gasimporteure sind jetzt gezwungen, am Devisenmarkt Rubel zu kaufen, wenn sie Gazprom für die Gaslieferungen bezahlen. Dafür müssen sie jemanden finden, der ihnen Rubel gegen ihre Euros verkauft. Das steigert die Nachfrage nach Rubel massiv und stärkt den Rubelkurs. Allein heute hat der Rubel schon wegen der bloßen Ankündigung fast 10 Prozent aufgewertet.
Es ist durchaus davon auszugehen, dass die Aufwertung noch weitergeht. Erstens, weil jetzt nicht mehr nur noch 80 Prozent der Deviseneinnahmen aus dem Gasverkauf den Rubel stützen, sondern ganze 100 Prozent. Zweitens, weil auf den internationalen Finanzmärkten vermutlich gar nicht genug Rubel angeboten werden, damit die westlichen Gasimporteure an ausreichend Rubel kommen, um das ganze Gas zu bezahlen. Wenn der Westen nicht auf Gas verzichtet, treibt die Rubel-Knappheit den Rubelkurs nach oben. Gas wird dann in Euro gerechnet deutlich teurer und treibt unsere ohnehin schon hohen Energiepreise.
Außerdem sorgt ein steigender Rubel dafür, dass wieder mehr Waren in Rubel angeboten werden. Für Exportfirmen auf aller Welt wird es dann nämlich lukrativer, Waren gegen Rubel zu verkaufen. Die Folge: Die russische Importfähigkeit steigt. Das wäre schlecht.
Außerdem spielt die dann erzeugte Rubel-Knappheit auf dem Devisenmarkt der russischen Zentralbank in die Karten. Sie ist Schöpferin des Rubels und kann diesen unbegrenzt erzeugen. Damit der Gashandel reibungslos abgewickelt werden kann, müsste sie wahrscheinlich früher oder später eingreifen und frisch geschöpfte Rubel am Devisenmarkt gegen Euro anbieten. Mit dieser Marktmacht könnte sie das dann quasi zu selbst festgelegten Kursen machen.
Wenn aber jemand Euros gegen Rubel tauschen will, braucht die Bank des Euroverkäufers ein Konto bei der russischen Zentralbank und ein Konto bei der EZB. Plötzlich gibt es also einen Anreiz für Banken, wieder im russischen Bankensystem Fuß zu fassen. Und plötzlich muss die EZB die Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Frage stellen, damit Euroguthaben auf das Konto der russischen Zentralbank überwiesen werden können. Ob Putin aber wirklich darauf aus ist? In der Schalte sagte er, dass Euros und US-Dollar für Russland wertlos geworden seien, weil die Währungsreserven der russischen Zentralbank eingefroren wurden. Zur Erinnerung: Die Sanktion hat hohe reale Kosten für Russland, denn schließlich hat Russland Unmengen an Gas, Kohle und Öl geliefert, um diese Währungsreserven anzusammeln. Das Einfrieren ist faktisch die Erklärung der Zahlungsunwilligkeit. Das machte auch Putin in der Schalte deutlich. Die Sanktionen hätten das Vertrauen in die westlichen Währungen verspielt, sagte er. Wenn er das aber wirklich so meint, dann könnte sein Schachzug auch darauf ausgerichtet sein, unseren Inflationsschmerz zu erhöhen.
Gleichzeitig würde der russische Inflationsschmerz gelindert. Denn wenn der Rubel aufwertet, werden Importe in Rubel gerechnet günstiger und der sogenannte importierte Inflationsdruck in Russland nimmt ab. Des einen Leid ist eben bei Wechselkursen des anderen Freud.
Hinzukommt dass es für Putin durch das Rubelmanöver einfacher wird, die erlassenen Kapitalkontrollen umzusetzen. Ziel der Kapitalkontrollen ist, dass die Russen nicht in Scharen den Rubel aufgeben und in Fremdwährungen fliehen. Je mehr Einnahmen russische Firme in Rubel statt in Fremdwährung haben, desto leichter ist die Umsetzung der Kapitalkontrollen. Da bisher nur Gas betroffen ist, dürfte der Punkt aber eher nicht so wichtig sein. Nur ein netter Nebeneffekt.
Der Worst-Case wäre, wenn Putin auf ein Gasembargo schielt. Denn genau die Debatte wird damit jetzt in Deutschland und Europa befeuert. Die Gasimporteure können jetzt nicht mehr business-as-usual machen, sondern müssen Verträge mit Gazprom ändern und auf Rubel-Shopping-Tour an den Devisenmärkten gehen, damit weiter Gas an unserem Ende der Pipeline herauskommt. Der Gasmarkt dreht frei. Aus Sorge ist der Gaspreis für Lieferungen im April deshalb gleich nach Putins Ankündigung fast 30 Prozent in die Höhe geschossen. Noch mehr Unsicherheit kann hier keiner gebrauchen.
Die Sorgen und die Unsicherheit dürften allerdings berechtigt sein. Der italienische Ministerpräsident (und ehemalige EZB-Präsident) Mario Draghi sagte als Reaktion auf Putins Verkündung:
“Aus meiner Sicht sollten wir Gas weiter mit Euros bezahlen, denn in Rubel zu bezahlen, würde unsere Sanktionen unterlaufen. Deshalb denke ich, dass wir weiter in Euro bezahlen werden.” (Übersetzung d. Verfasser)
Sollten Gasimporteure sich weigern, die Verträge anzupassen, oder Zahlungen in Rubel ausfallen, kann es schnell zu Schocks am Gasmarkt kommen. Schon kleine Störungen führen dann zu großen Preisschüben. Geht der Gashahn ganz zu, droht eine Wirtschaftskrise, die größer und komplexer ist, als all die wirtschaftlichen Auswirkungen, die wir in der Pandemie erlebt haben. Wenn Gas fehlt, brechen etliche Lieferketten. Massenarbeitslosigkeit, Firmenpleiten, Preisschübe und politisches Chaos drohen dann. Warum das leider so ist, habe ich in diesem Artikel beleuchtet.
Wir halten fest: Putin hat mit dem Rubelmanöver den Westen sicherlich überrascht und mächtig unter Druck gesetzt. Wie es weiter geht, hängt von der politischen Reaktion ab. Hysterische Embargo-Forderungen helfen eher nicht weiter. Klug wäre es, die Exportverbote zu verschärfen und dabei international zu kooperieren, damit Russlands Importfähigkeit auf direktem Wege eingeschränkt wird. Um den inflationären Leidensdruck zu dämpfen, braucht es außerdem dringend ein zweites Entlastungspaket - vielleicht sogar mit einem Gaspreisdeckel?
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Putins gefährlicher Schachzug
Na ja, insgesamt sehr gut zusammengefasst. Allerdings fehlt "Petrodollar" der die Weltleitwährung des Dollars ersetzt hat, wo ja White (für USA) und Keynes (für UK) in Bretton-Woods betrogen hat und die Nazi-Pläne zur Ausbeutung der 3. Welt umgesetzt hat. Anfang der 1970 wurde das Geld ja auf Fiat-Money umgestellt, damit der Dollar aber seine Vormachtstellung hält, hat man die Welt seitens der USA aufgefordet Öl nur in Dollar zu handeln. So musste bisher jeder der Öl kaufen wollte Dollar einkaufen (freut die Wallstreet). (Wobei die USA immer gegenüber dem Ausland verschuldet sein müssen, damit genügend Dollar verfügbar sind, das führt noch zu einem Paradoxon, warum die Chinesen keine Leitwährung wollen. Sie wolle eher eine Metawährung.) Wenn immer mehr Länder diesem Beispiel folgen und nicht in Dollar kaufen und verkaufen, ist die Vormachtstellung der USA verpufft.
Ferner sind die Chinesen dabei, den Saudis Öl in großen Mengen im Yuan oder so abzukaufen. Investieren Unmengen Geld in den Nahen Osten und erweisen sich als gute Freunde. Und die 100 Mrd. alleine aus Deutschland versacken in irgendwelchen Renditen für Besitzer und Shareholder. Und am Ende hat der top moderne super Jet Schrottwert. Um die Nato zu bekämpfen, braucht es nur einen Sandalenträger mit einem Mofa und einer AK47. Die Natostaaten zusammen geben 1 Billion aus oder gar mehr für Rüstung aus, die Russen und Chinesen nicht mal ein Drittel davon (zusammen).
Es ist ein eingeleiteter Angriff auf den Dollar und das Hegemon der USA und seiner Vasallen (EU). Und die USA werden verlieren, weil ... abwarten.
Die USA sind ein Öljunkie. Wenn die Leute dort nicht mehr ihre Pickups fahren können, fahren sie mit den letzten Tropfen nach Washington und lynchen Biden und Co.. Zumal die alle bewaffnet sind.
War ja logisch und keine große Überraschung, daß Russland seine Zahlungen jetzt in Rubel fordert. Den Sanktionierern war offensichtlich auch klar, was ein Gas- und Ölimport-Stop (bei Nichtzahlung) für die europäische Wirtschaft bedeutet. Deshalb hat man wohl Banken wie GASPROM und Sber nicht vom SWIFT Zahlungssystem ausgeschlossen. Diese Banken verfügen noch über funktionierende Konten bei der russischen, der europäischen und der US-Zentralbank, was die Öl- und Gasimporteure sicher zu nutzen wissen.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage, welche Auswirkungen das "Einfrieren" von Dollar- oder Euro- Guthaben für zukünftige Zahlungen an rohstoffexportierende Länder hat.
Fordern diese dann vermehrt Zahlungen in anderer, bevorzugt eigener Währung?